Historie des Korsetts und die Korsett- entwicklung in den relevantesten Zeiträumen

Scharfe Abgrenzungen sind vor allem im Bereich viktorianische Korsetts nicht immer exakt möglich, da dieser Zeitraum immerhin ca. 55-65 Jahre betragen dürfte. Am treffendsten wird das 'In der Geschichte der Unterwäsche 1700-1960' beschrieben, in der es hierzu heißt, daß das scheinbar einheitliche Gesicht der Mode sich nach dem Entstehen auch schon wieder nach kurzlebigen Einzelentwicklungen auflösen kann, von denen einige Elemente aber wieder zu späteren Zeitpunkten Mode werden können.

Die Darstellung zeigt hier drei auch heute noch relevante Kategorien. Die gekennzeichneten Zeiträume haben heute eher keine Bedeutung mehr, bzw. fallen in zuvor oder hernach vorherrschende Kategorien.

Im nachfolgenden Histogramm finden Sie eine Übersicht über die Wirkungen, Grundschnitte und Silhouetten von Korsetts über die Jahrzehnte. Ein Klick auf den jeweiligen Link öffnet ein Fenster mit kommentierten Abbildungen.

 

1. Formung des Körpers

3. Zeitkategorien und historische Entwicklung

1.1 Oberkörper


1.1.1 Unterbrust
1.1.2 Halbbrust
1.1.3 Überbrust

1.2 Hüften und Po


1.2.1 Gürtel
1.2.2 Mieder lang
1.2.3 hüftlanges Mieder
1.2.4 Polänge


2. Formungsarten


2.1 Sanduhr
2.2 Stemwaist
2.3 Ice-Cone
2.4 Wespentaille
3.1 1780 Schnürleib


3.2 1810 Sanduhrkorsett ohne Stangen
3.3 1845 Schnürleib mit Brustzwickel
3.4 1850 Sanduhrkorsett mit Keilen


3.5 1858 Wespentaille mit Verschluß
3.6 1866 Wespentaille mit Brustkeilen
3.7 1878 Korsett mit konischer Schließe
3.7 1885 Hoch-Viktorianisch
3.8 1891 Spät-Viktorianisch


3.9 1898 Spät-Viktorianisch - Vollbrust
3.10 1900 Straight-Front
3.11 1902 S-Line

3.12 1908 S-Line - gestreckte Form

3.13 1918 Taillen-Hüftmieder

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die große Zeit des Korsetts -

das 19. Jahrhundert

Napoleon hatte sein Waterloo und Frankreich hatte wieder seine Aristokratie. Ob das ein Vorteil für die Franzosen war sei dahin gestellt, es war zumindest ein Vorteil für die Korsettmacher. „Zurück zu alten Zeiten“ hieß das Motto.

Die Bürgersfrau trug Biedermeiermode:

Hochgeschlossene Oberteile zu weiten Röcken. Auf den Bällen des Adels und des inzwischen anwachsenden Geld- adels ging es weniger bieder zu. Die Damenroben erinnerten sehr an die Rokokozeit (wenn auch mit weniger Schleifen), weshalb man auch vom zweiten Rokoko spricht. Kaiserin Elisabeth von Österreich (genannt Sissy) lebte in dieser Zeit und war bekannt für ihren Ehrgeiz bezüglich einer schmal geschürten Taille, ebenso Kaiserin Eugenie in Frankreich. Auch die Südstaatenromantik vor dem amerika- nischen Bürgerkrieg (bevor sie vom Winde verweht wurde), gehört zum zweiten Rokoko.

 

Biedermeier

Bild 9        Biedermeiermode

Die Korsetts dieser Zeit schnürten nur bis zur Taille ein, denn unterhalb der Taille bestimmten die Reifröcke (in dieser Zeit Krinoline genannt) die Silhouette. Wie im Rokoko hatten sie sehr große Umfänge. Bis zur Mitte des Jahrhunderts war nicht nur die Taille, sondern auch der untere Brustkorb eng geschnürt. Die Korsetts hatten eine Form, die man heute als „stemwaist“ bezeichnen würde und aufwendig ausgearbeitete Brustkörbchen. Frontseitige Schließmechaniken wurden nach und nach entwickelt, bildeten aber bis 1845 noch die Ausnahme.

Die beginnende industrielle Revolution veränderte zur Mitte des Jahrhunderts nicht nur die Gesellschaft,   sondern auch die Mode und natürlich die Korsetts. Stahlwaren wurden billiger, der rostfreie Stahl wurde erfunden und so wurde das Fischbein in Korsetts und Reifröcken durch Draht, Spiralfedern und andere Stahlwaren ersetzt. Das Korsett wurde „technischer“: die Schließmechanik machte Schluss mit dem langwierigen Schnureinfädeln und eingepresste Metallösen wurden eingeführt. Letzteres war ein gewaltiger Fortschritt. Vorher mussten die Löcher (von Hand!!) mit Garn umsäumt werden. Die Haltbarkeit solcher sehr teuren Korsetts war sicher gering. Durch den technischen Fortschritt (seit 1846 gab es auch Nähmaschinen) wurde das Korsett zum Massenprodukt. Wer nicht ganz arm war konnte sich eins leisten. Und das taten fast alle Frauen. Um 1860 gab es allein im Stuttgarter Raum an die 6.000 Korsettmacher.  

Ballkleid

 Bild 10

Ballkleid von 1865, Museum of the Ctiy of New York

Das läßt allerdings keinen Rückschluß auf Heerscharen supereng taillierter Frauen zu, denn die Durchschnittsbürgerin trug das Korsett vor allem zur Stütze ihrer mütterlichen Rundungen. Es ermöglichte eben auch einer Mutter von 6 Kindern eine respektable Haltung zu bewahren. In dieser Zeit war das Korsett sogar ein Symbol für Ehrbarkeit (wie sich die Zeiten ändern...).

Sehr enge Korsetts gehörten zur Fest- und Abendmode der „feinen Gesellschaft“, wozu nun auch das reiche Bürgertum gehörte. Und natürlich gab es modebewusste Damen, die immer und überall perfekt aussehen wollten und sich deshalb auch im Tageskostüm eng geschnürt zeigten.

Nach der Stemwaist-Phase wurden die Korsetts (ab Mitte des Jahrhunderts) in der Taille kürzer. Es entstand die Stundenglas-Silhouette, die heute als klassische (bzw. viktorianische) Korsettform gilt.  Eigentlich wurden die Korsetts damit etwas bequemer. Sie konnten aber noch enger geschnürt werden als ihre Vorgänger, und in dem Fall war es mit der Bequemlichkeit schnell vorbei. Zwischen 1860 und 1870 kamen die Reifröcke aus der Mode, statt dessen kam die Tornüre. Die Korsetts wurden länger - und noch enger, denn nun fehlte der optische Effekt des Reifrocks. Ab 1880 wurden die Röcke extrem eng, daher wurde die Formung der Hüften immer wichtiger, was nur mit sehr langen Korsetts möglich war.

Kleider mit Tournüre  

Bild 11

Kleider mit Tournüre

Pünktlich zum Jahrhundertwechsel war die gerade Korsettfront wieder modern (hatten wir das nicht schon einmal?). Diese Straight-front-Korsetts sollten den Tragekomfort verbessern, indem konzeptionell weniger Druck auf die Magengegend ausgeübt wurde.

Selbst die Herrenmode war nicht ganz korsettfrei. Nach den Dandies entdeckten vor allem die Herren Offiziere das Korsett als Mittel zu würdevollem, steifen Auftreten. Diese Korsetts waren allerdings nicht auf Taillenreduktion ausgelegt, es sei denn ein Bäuchlein musste plattgedrückt werden.

 

Weltkriege und Weltanschauungen - das 20. Jahrhundert

Von der Bequemlichkeit her hatte das Straight-front-Korsett sicherlich seine Vorteile, doch irgendwie war es auch ein wenig unspektakulär. Daher wurde die Taille zuerst von der Seite her enger und dann auch im Rücken. Es entstand das S-Line-Korsett, benannt nach der S-förmigen Kurve, die das Rückgrat darin machte. Extreme S-Line-Korsetts verändern Gang und Haltung sehr: die Brust wird nach vorn gedrückt und der Po nach hinten. Erleichternd für die Damen war nur, dass die Röcke etwas weiter wurden. Diese Mode hielt sich bis ca. 1910.

Danach wurde eine sehr schmale, gerade Silhouette modern. Korsetts gab es zwar immer noch, doch unterschieden sie sich stark von der klassischen Form. Statt der Taille wurden nun vor allem Hüften, Po und Oberschenkel eingeschnürt. Auch die kurze Modewelle der Humpelröcke fällt in diese Zeit.

Bild 12 Eine Fotografie von ca. 1910. Die S-Form ist hier deutlich, aber nicht extrem. Auch die darauffolgende Mode sehr schmaler Schnitte deutet sich bereits an.

 
    

S-line-Korsett

Mit dem ersten Weltkrieg war die große Zeit des Korsetts vorbei, auch wenn die erwähnten Hüftkorsetts noch bis in die 20iger Jahre getragen wurden.  - Was waren die Gründe? -

Oft wird die um die Jahrhundertwende eingeführte Reformkleidung genannt, weit geschnittene, bequeme Kleider die ohne Korsett getragen wurden und der Gesundheit dienen sollten. Doch diese Kleider wurden nur von einer Minderheit getragen und nie zu größeren Festen oder offiziellen Anlässen, schon eher in der Freizeit zu sportlichen Betätigungen im Freien. Auch diverse Warnungen vor Korsetts wegen angeblicher Gesundheitsgefahren können nicht der Grund für dessen Fast-Verschwinden gewesen sein, denn diese gab es bereits seit der Barock-Zeit. Die Gründe sind vielfältiger.

 

Reformkleider

Bild 13

Reformkleider

   

Zwei Weltkriege hintereinander konfrontierten einen Großteil der Europäer mit anderen Sorgen als einer schmalen Taille. Relevant war auch die Erfindung des BHs (in der heutigen Form seit ca. 1930), der eine Hauptfunktion des Korsetts, das Stützen der Brüste, übernahm. Auch korsettähnliche Unterwäsche aus elastischem Material (später Korseletts genannt) kam auf den Markt. Nicht zuletzt rutschten die Rocksäume ab den 20iger Jahren bis zum Knie hinauf (und später noch höher, wie man weiß). Damit wurde nun auch das Bein zum Blickfang und lenkte vorerst einmal von der Taille ab. In den 50iger Jahren war die schmale Taille wieder gefragt, selbst in der Haute-Couture. In Frankreich wurde das guêpière, eine Art Leichtkorsett erfunden und vor allem unter Showkostümen getragen.

Doch die Emanzipationsidee, die sich ab den 60iger Jahren stark ausbreitete, führte dazu, dass das Korsett regelrecht verpönt wurde.

Es galt nun als Symbol für die Unterdrückung der Frau, genauso wie es einmal ein Symbol für die reiche und mächtige Frau und ein Symbol für die ehrbare Frau war. Korsetts waren von da an nur noch bei Showstars, in Theatern, als Reizwäsche für Fetischisten und (in der Lack- und Ledervariante) im Rotlicht- und SM-Milieu anzutreffen.

Erst in den 80iger Jahren fanden sich Freunde dieses Kleidungsstücks (die es immer gegeben hatte) in etwas größerer Zahl zusammen, das Wissen der letzten „echten“ Korsettmacher (die vor allem in England zu finden waren) wurde soweit als möglich an Nachfolger weitergegeben und ein kleiner aber wachsender Markt für qualitativ hochwertige Korsetts entstand.

Die Korsetts der heutigen Zeit sind vielfältiger als sie je waren. Zum einen gibt es eine größere Auswahl an Materialien, zum anderen sind heute Korsettformen möglich, die früher nicht sinnvoll gewesen wären, beispielsweise Unterbrustkorsetts (denn es gibt ja nun BHs) und natürlich bedienen wir uns heute im Bedarfsfall bei allen Korsett-Stilen die es je gegeben hat.

 

Ein neues Jahrtausend beginnt -

das 21. Jahrhundert

Die Zeiten, wo eine Frau genötigt war ein Korsett zu tragen,  sind zum Glück lange vorbei. Noch nicht  ganz vorbei ist die Zeit der Ächtung des Korsetts in großen Teilen der sogenannten „normalen“ Gesellschaft. Immerhin ist es nicht mehr so schlimm wie noch vor 20 Jahren. Damals musste ein Frau sehr viel Mut haben, wenn sie sich in der Öffentlichkeit dazu bekennen wollte, heute genügt ein gutes Maß Selbstbewusstsein. Korsetts haben inzwischen sogar wieder ihren Platz in der aktuellen avantgardistischen Mode gefunden (Stand: 2011).

So vieles hat das Korsett schon symbolisiert.  Im 21. Jahrhundert könnte es zum Symbol für Individualität und die Freude am Schönen werden, insbesondere an der Schönheit der Frau.

 

 

 

 

Historie des Korsetts - ein Überblick (1 von 3)

 

Vorwort

Dieser kurze Überblick soll die Entstehung und Entwicklung des Korsetts in den vergangenen Jahrhunderten schildern.  Dazu muss selbstverständlich auch auf die allgemeine Geschichte der Mode und ihren gesellschaftlichen Kontext eingegangen werden, allerdings immer nur kurz und auf das Wesentlichste beschränkt. Die Mode hatte in allen Epochen regionale Besonderheiten, kurzlebige Varianten und Sonderformen. Kurz gesagt: sie war weitaus komplexer, als es in diesem Text erscheint. Das gilt ganz besonders für das 19. Jahrhundert mit seiner enormen stilistischen Vielfalt, wo wirklich nur eine grobe Tendenz aufgezeigt werden kann.

 

Vielleicht fällt auf, dass für die frühen Epochen keine Bilder von den verwendeten Korsetts vorliegen. Das hat einen einfachen Grund: es gibt sie nicht. Die Künstler damals haben ihre Damen nicht in Unterwäsche gemalt und gut erhaltene Originale existieren erst ab dem 18. Jahrhundert.  Das Wissen über die frühesten Korsetts stammt von Textdokumenten, Rückschlüssen aus Gemälden und Textilbruchstücken. In vielen Fällen ist der Ausdruck „Wissen“ daher übertrieben und es handelt sich eher um begründete Annahmen.

 

Alte Zeiten - die Antike

 

Schlangengöttin, Kreta  

Um es gleich vorweg zu nehmen, Korsetts gab es damals noch nicht, zumindest gibt es keinen Beweis in Form von Fundstücken oder Schriften für irgend etwas, das diese Bezeichnung verdient. Was es gab sind Kulturen, die eine schmale Taille als Ideal anstrebten und dies in ihren Kunstwerken darstellten. Am bekanntesten ist die minoische Kultur, die ab 3000 v. Chr. bis 1400 v. Chr. im schönen Kreta existierte. Viele Bilder und Statuen aus minoischer Zeit erwecken stark den Eindruck, dass die Damen eine Art Mieder trugen oder die Taille sonstwie künstlich geschnürt wurde. Doch man weiß nichts Genaues darüber.

Die alten Dichter, wie Homer, fanden die Waffen der Männer eben viel interessanter als die Unterwäsche der Frauen.

Bild 1:

Statue einer Schlangenpriesterin oder Göttin, Kreta, ca. 1550 v.C.

  Auch in der darauffolgenden griechischen Kultur gab es diverse taillenbetonende Kleidungsstücke, doch nicht mehr so ausgeprägt wie bei den Kretern. Nach den Griechen folgte das Römische Reich als kulturell prägende Macht. Doch die nüchternen, zielstrebigen Römer und Römerinnen kleideten sich eher schlicht in Tunika und Toga.

Immerhin verwendeten die Frauen oft eine Art BH aus Stoffstreifen. Erst in der Kaiserzeit (nach Julius Cäsar und Asterix) begann die Oberklasse den Prunk zu schätzen, was sich jedoch eher in Gold und Juwelen als in raffinierten Kleiderschnitten bemerkbar machte.

 

Rittertum und Minnesang  - Das Mittelalter

 

Korsetts gab es immer noch nicht. Dennoch ist das Mittelalter interessant für deren Geschichte. Zum einen entwickelte sich die Kunst des Rüstungsschmiedens und Brustharnische waren in gewisser Weise die Vorbilder der ersten Korsetts  (siehe „Renaissance“, frz. „corset“ bedeutete ursprünglich Brustharnisch), zum anderen entwickelte sich in Europa ab dem 12. Jahrhundert zum ersten Mal eine ausgeprägte Damenmode mit wechselnden Stilen. Natürlich nur in der Oberschicht, die Bauernkittel interes- sierten wiederum niemanden - und das galt auch für die folgenden Jahrhunderte.      Maria Magdalena
In der sogenannten gotischen Epoche (14. Jhd.) waren schlanke Gestalten gefragt - nicht nur bei den Kirchtürmen sondern auch bei den Menschen.  

 Bild 2

Maria Magdalena aus dem Braque Tryptichon, Rogier van der Weyden

Die Damen trugen lange, enganliegende Gewänder. Es gibt Mutmaßungen (und einige vage schriftliche Hinweise*) dass der Schlankheit manchmal durch Bandagen nachgeholfen wurde. Das ist zwar naheliegend, denn auch damals gab es eitle Frauen, doch nicht beweisbar.

 

* Anm: Wolfram von Eschenbach (* um 1160/80; † um/nach 1220) singt u.a.:

"Ihr wißt, wie Ameisen pflegen

um die Mitte schlank zu sein,

Noch schlanker war das Mägdelein."

 

Etwa ab Ende des 13. Jahrhunderts gab es frontseitig geschnürte Mieder, die mit steifen Textilien und manchmal mit Messingdraht verstärkt wurden.

 

 

Die erste Korsettepoche - die Renaissance

(16. Jahrhundert)

 

Lady Catherine Parr

Bild 3

Lady Catherine Parr - letzte Frau Heinrich VIII

  „Renaissance“ heißt Wiedergeburt. Gemeint ist die Wiederentdeckung antiken Wissens und in einigen Ländern ein Zurückdrängen religiöser Verbote, die manche kulturelle Entwicklung behindert hatten.

Die antike Mode wurde allerdings nicht wiedergeboren. Stattdessen entstanden die äußerst prunkvollen Renaissancegewänder (wir reden natürlich wieder nur von den Begüterten bzw. Herrschenden, was damals meist dasselbe war) unter Verwendung feiner Stoffe, die teilweise importiert, teilweise durch Anwendung neuartiger Web- und Färbetechniken produziert wurden. Diese Pracht wollte man in Szene setzen.

Bei den Männern galt immer noch Eisernes als chic und so trug der Herr von Welt einen Brustharnisch zu offiziellen Anlässen. In Spanien (damals eine sehr einflussreiche Macht in Europa) wurde dieser Stil in der Damenmode aufgegriffen. Zwar trugen die Damen keinen Harnisch, doch sie sorgten auf andere Art dafür eine ebenso steife und hoheitsvolle Figur zu machen - das Korsett war geboren.

Diese ersten Korsetts bestanden aus Stoff- oder Ledermiedern, in die Holzstücke oder -stäbe und teilweise auch Metallteile eingenäht wurden. Sie hatten die Funktion zu stützen und durch Härte und Steifheit auch eine gewisse Unnahbarkeit der vornehmen Dame herzustellen, ganz ähnlich wie die Rüstung ihres Herrn Gemahls (die auch nur noch symbolische Bedeutung hatte, denn Feuerwaffen waren bereits im Gebrauch).

Was die Korsetts damals nicht bewirkten war eine gezielte Verringerung der Taillenweite. Auch die Brüste wurden nicht angehoben. Im Gegenteil, es galt als vornehm sie platt zu drücken. Hoheitsvolle Unnahbarkeit schloss mütterliche Rundungen aus. Passend zum Korsett wurde ein steifer, kegelförmiger Reifrock getragen. Dieser hatte eine dreifache Funktion: er diente dazu möglichst große Stoffmengen zu präsentieren, einen gewissen Abstand zum Rest der Welt herzustellen und (zumindest optisch) die Taille zu betonen.

Diese Kleidung gehörte sicherlich zum Unbequemsten, was sich Frauen jemals zufügten.

Die Tudormode in England war von der spanischen Hofmode beeinflusst und ähnelte ihr in vielen Stilelementen. Auch Österreich, wie Spanien zum habsburgischen Weltreich gehörend, wurde vom spanischen Stil beeinflusst, ebenso die Niederlande. Frankreich, Deutschland und Italien bevorzugten eine weniger steife Linie. Die Franzosen mochten offenbar sehr breite Hüften, denn sie erfanden die weit ausladende Reifrockvariante des „panier“.

In der Spätrenaissance regierte Elizabeth I. in England. Nach ihr ist der elisabethanische Stil genannt, der sich aus der Tudormode entwickelte, jedoch etwas weniger streng war und die Taille durch Einschnüren betonte. Diese Taillenreduktion wurde allerdings noch nicht durch das Korsett erreicht, sondern durch ein darunter getragenes Schnürmieder oder durch Bandagen.

 

Das Phoenix-Portät von Elizabeth I., Nicholas Hilliard, England, 1575-76

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Die Sache wird eng - Barockzeit

(17. Jahrhundert)

Die frühe Barockzeit zeigt große nationale Unterschiede in der höfischen Damenmode. In den habsburgischen Ländern blieb das Korsett noch bis zur Mitte des Jahrhunderts recht starr, man verwendete aber leichteres Material zur Versteifung (vorzugsweise Fischbein) und verbesserte die Verarbeitung. Den Brüsten wurde ein wenig mehr Raum gegeben. Die Reifröcke waren nun tonnenförmig (dieser Stil stammte aus Frankreich) und hatten bis zu 5 Metern Umfang.

Selbstbildnis Rubens

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild 4

Selbstbildnis mit seiner ersten Frau (Isabella Brant), Rubens, Niederlande, um 1610. Seine Vorliebe für die typische 'Rubensfigur' scheint der Maler erst bei seiner zweiten Frau entdeckt zu haben.

 

Auch Holland nimmt eine Sonderstellung ein. Dort behaupteten sich streng geschnittene, hochge- schlossene Gewänder bis fast zum Ende des Jahrhunderts (es ging recht sittenstreng zu).

In den anderen europäischen Staaten kamen locker fallende Gewänder mit viel Spitze in Mode. Reifröcke waren nicht mehr gefragt, statt dessen wurde um die Hüften herum ausgepolstert. Frankreich wurde, geprägt durch seine starke absolutistische Monarchie mit aufwendiger Hofhaltung, das führende Land in Modefragen. Korsetts wurden nun auch zunehmend, vor allem in Frankreich, zum Einschnüren der Taille eingesetzt. Da immer noch eine gerade Frontseite angestrebt wurde, setzte man einen Holz- oder Metallstab (oder einen Dolch...) in eine senkrechte Stofftasche des Korsetts über dem Brustbein.

 

Wurde die Sache allzu unbequem (zum Beispiel nach reichlichem Speisen - im Barock sehr beliebt), konnte der Stab oder Keil heraus gezogen werden. So ein Teil nannte man im Deutschen einen „Blankscheit“, woraus französisch „Planchette“ wurde, ein Wort das inzwischen für ein unter der Korsettschließe gelegenes, breites Federstahlstück verwendet wird (Verwendung nicht bei allen Korsetts, sondern nur wenn erhöhte frontseitige Stabilität erwünscht).

  Van Dyck     

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gab es eine interessante Veränderung: das Schneiderhand- werk durfte nun auch von Frauen ausgeübt werden, die mit Sicherheit mehr Verständnis für die Wünsche ihrer weiblichen Kundschaft hatten - vor allem wenn es um Unterwäsche ging. Auch in diese Epoche gehört das Aufkommen von Spezialisten innerhalb der Schneiderzunft, die nur noch Schnürmieder herstellten.

 

Bild 5

Marie Louise de Tassis, van Dyck, Niederlande, 1629, ein holl. Maler , aber Modell (und Mode) sind französisch.

 

 

Bälle und Maitressen - das Rokoko

(18. Jahrhundert)

 

Rokoko-Schnürmieder

Bild 6

Rokoko-Schnürleib aus Seidenbrokat, Österreich ca. 1755

  

Die Bezeichnung Rokoko kommt von Rocaille, dem französischen Wort für eine geschwungene, muschelförmige Verzierung an Gebäuden. Alles wurde geschwungener und verspielter.

 

Auch die Korsetts gingen von der geraden Frontpartie ab und wurden nun dazu verwendet alle Bereiche des weiblichen Oberkörpers ins rechte Licht zu rücken. Die absolutistische Hofhaltung und Prachtentfaltung kamen zu ihrem Höhepunkt (der ihrem Ende vorausging). Rokoko-Korsetts waren meist aufwendig gearbeitete, teure Meisterwerke. Zur Versteifung wurden meist relativ dünne Fischbeinstäbchen eingesetzt, diese aber in großer Zahl (über 100).

 

 Im Rokoko wurde das Korsett, mit wertvollen Stoffen besetzt, zur Oberbekleidung. Es war mit Schulterträgern versehen und im Hüftbereich so gearbeitet, dass ein Übergang zu den wieder in Mode gekommenen Reifröcken gebildet wurde. Letztere hatten im Verlauf der Epoche unterschiedliche Formen (meist sehr ausladend) und Rekordumfänge von bis zu 7 Metern. Die geschnürte Taille wirkte darin unglaublich schmal.

Mdme. Pompadour   

Die vornehme Dame trug damals ein Korsett mit Rückenschnürung, denn sie hatte immer ihre Zofe zur Hand. Da es noch keine Korsettschließen gab (zumindest nicht im heutigen Sinn), musste jene bei jedem Ankleiden ihrer Herrin die gesamte Schnur einfädeln. Das einfache Volk behalf sich mit einfacheren Schnürmiedern, ohne Stützstäbchen und, mangels Zofe, mit Frontschnürung. Viele Volkstrachten haben ihren Ursprung in dieser Zeit.

 Bild 7

Mdm. Pompadour, Francois Boucher, Frankreich, 1759. Vielleicht hat der Maler bei der schlanken Taille ein wenig übertrieben, aber andererseits war die Marquise eine Maitresse - und sie war ein Profi

 

Revolution und Napoleon  - die Empirezeit (1789 - 1815)

 

Das absolutistische Königtum in Frankreich hatte den Bogen überspannt. Es kam zur Französischen Revolution und zur Ausrufung der Republik. Die französische Königsfamilie, unter ihr die bekannte Tight-lacerin Königin Marie-Antoinette, wurde auf der Guillotine enthauptet und alles was mit Adel zu tun hatte, also auch Korsetts, wurde verpönt.

Josefine

Bild 8  Josefine

 

In der darauf folgenden Zeit und auch während der Herrschaft Napoleons I setzte sich die Empire-Mode in der Damenwelt durch. Sie war gekennzeichnet durch eine direkt unter den Brüsten angesetzte „Taille“ und einem geraden Rockteil. Korsetts in der bisherigen Form wurden dazu nicht getragen. In der darauf folgenden Zeit und auch während der Herrschaft Napoleons I setzte sich die Empire-Mode in der Damenwelt durch. Sie war gekennzeichnet durch eine direkt unter den Brüsten angesetzte „Taille“ und einem geraden Rockteil. Korsetts in der bisherigen Form wurden dazu nicht getragen. Vorgänger dieser Moderichtung waren bereits um 1770 in England entstanden, wo in der Oberschicht ein lässiger, „ländlicher“ Kleidungsstil gefragt war. Dennoch waren auch in dieser Zeit die Korsettmacher nicht brotlos.

Die Empire-Mode forderte möglichst weit auseinander stehende Brüste und dieses Ideal wurde mit einer Korsett-Variante erreicht, die man als recht unbequeme Frühform des Büstenhalters bezeichnen könnte (engl. Bezeichnung: divorce corset). Auf Grund der Führungsrolle Frankreichs in Modefragen wurde der Empire-Stil auch in den anderen europäischen Ländern übernommen. Im von Napoleon unabhängigen England war der Stil allerdings etwas verspielter als im übrigen Europa und hatte nur eine sehr kurze korsettfreie Phase. Dort entstand in dieser Zeit der Dandy-Look in der Herrenmode. Sie hielt sich bis in die 40iger Jahre dieses Jahrhunderts (der Dandy nannte sich jetzt Beau) und forderte eine schlanke Taille von den Männern (damit die Schultern um so breiter wirkten), mit der Folge dass sich nun auch Männer korsettierten. Dazu wurden meist kurze Taillenkorsetts eingesetzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

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